Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen
(Mt. 5,7)

Predigt am 12.11.2017

 
 
Liebe Gemeinde !

Guten Morgen , ein Tag nach dem 11.11.
Das ist der Tag, an dem St. Martin seinen Platz hat.
Viele Kinder freuen sich auf St. Martin.  Und mit den Kindern, mit den kleineren Kindern sind dann auch die junge Mütter und Väter eingebunden. Sie basteln im Kindergarten, in der Schule oder zu Hause Laternen, erinnern sich an die St. Martins Lieder und gehen zum St. Martins Umzug.
Manche Umzüge waren schon am gestrigen Samstag, andere haben dies auf den morgigen Montag gelegt.

Übrigens – und das nur am Rande nach all den Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum und dem Erinnern an Martin Luthers Thesenanschlag:

Martin Luther wurde am 10.11. 1483 im Petriviertel in Eisleben als Kind von Margarethe und Hans Luder geboren und bereits einen Tag danach wurde er in der nahegelegenen Kirche St. Peter getauft. Dem damaligen Brauch entsprechend bekam er den Namen des Tagesheiligen: Martin.

St. Martin – eine tolle und beeindruckende Lebensgeschichte auch noch nach 1.680 Jahren -  da teilt einer  - ohne lange zu fragen – seinen Mantel, vielleicht auch sein Brot.

Der römische Kaiser Konstantin I. (272-337) hatte befohlen, dass alle Söhne von Berufssoldaten in der römischen Armee dienen mussten. So wurde 331 n. Christus auch Martin, Sohn eines römischen Offiziers, im Alter von 15 Jahren ein Soldat. Martin war ein bescheidener und gütiger junger Mann. Obwohl er nicht getauft war, lebte und handelte er wie ein Christ.

Seine Kameraden schätzten ihn wegen seiner Geduld und Nächstenliebe.

Seine Kameraden fanden aber auch, er sei eher ein Mönch als ein Krieger, weil er stets nur das Nötigste von seinem Sold für sich behielt und alles andere armen und kranken Menschen gab.


Im Jahre 334 fand jene Begegnung statt, die wir heute noch bewundernd bedenken – draußen vor den Toren der Stadt – und die Martin zum Heiligen werden ließ, Martin Luther seinen Vornamen gab und die aufrüttelnder Impuls für unser Leben sein kann:
Es war an einem jener bitterkalten Wintertage dieser Zeit. Viele Menschen waren in der klirrenden und eisigen Kälte schon gestorben. Martin ritt auf seinem Schimmel auf das Stadttor zu, als ihm ein Bettler entgegenwankte. Er war fast unbekleidet und flehte die vorübereilenden Leute an, ihm doch zu helfen. Doch niemand half. Alle schauten weg. Nur Martin empfand tiefes Mitgefühl und mit einem Mal spürte er, dass Gott seine Wege zu diesem armen Menschen gelenkt haben musste, um Barmherzigkeit zu üben. Doch wie sollte er, der auch nur seine Waffen und einen einfachen Soldatenumhang aus Wolle bei sich trug, helfen? Der Umhang gehörte ihm noch nicht einmal, er war Eigentum des römischen Kaisers. Doch Martin zögerte nicht lange. Er nahm sein Schwert und teilte den Umhang in zwei gleiche Hälften. „Hier, armer Mann, nimm’ meine Mantelhälfte und hülle dich darin ein, mehr habe ich leider nicht, was ich dir geben könnte.“ Dankbar nahm der Bettler das Mantelstück an und schlang es sich um den mageren, ausgekühlten Körper. Martin bekleidete sich mit der anderen Hälfte. Einige Leute waren stehen geblieben und machten sich sogar darüber lustig, dass ein Offizier der römischen Garde nun selbst wie ein abgerissener Bettler aussah.

In der folgenden Nacht hatte Martin einen Traum: Jesus Christus begegnete ihm, umgeben von einer himmlischen Schar Engeln. Jesus trug Martins halben Umhang und sprach:
„Martin, ich war der Bettler, dem du deine Barmherzigkeit geschenkt hast.“ Den Engeln rief Jesus zu: „Hört ihr Engel! Martin, der noch nicht getauft ist, hat mich mit diesem Mantel gerettet!“

Als Martin am nächsten Morgen erwachte, wusste er, dass er sein Leben völlig ändern wollte. Er verließ die Armee und trat als Mönch in den Dienst Gottes. Aber erst einige Jahre später ließ er sich taufen und wurde 371 sogar Bischof von Tours.

Heute, so scheint es, ist es nicht mehr selbstverständlich, gerne und überzeugt Christ zu sein; bei der Podiumsdiskussion am Montag in der PNP konnte man hören, dass 2016 190.000 Menschen die evangelische und 162.000 Menschen  die  katholische Kirche in Deutschland verlassen haben.

Und doch St. Martin und  St. Nikolaus sind tolle Bischöfe, die unseren Kindern ein Leuchten in die Augen zaubern und die eindrücklich ihr Leben im Glauben geführt haben und notleidenden Menschen aus Barmherzigkeit und mit voller Herzlichkeit geholfen haben.

Nicht Lehrmeisters sind gefragt, sondern Lebemeister.

Nicht kluge Predigten und wohlgeformte Worte sind gefragt, sondern barmherzige Taten.

Martin ein ganz entschiedener Christ – zwei Aspekte aus dem überzeugenden und überzeugten Christsein des gestrigen Tagesheiligen der katholischen Kirche möchte ich beleuchten und für uns heute in Beziehung setzen:

Martin, der mutig Barmherzige

Martin, der die religiöse Stille sucht

Martin der Mutige  - er teilt den Mantel, den er nicht teilen darf, weil er dem Kaiser gehört.

Martin, der Mutige, der von seinen Kameraden in der rauen Militärumgebung nicht ernst genommen und stattdessen hoch genommen wird; ein Gutmensch in Uniform – von den anderen in seiner Truppe aufgrund seines christlichen Lebenswandels mitleidig belächelt.

In der Nachfolge Jesu – das können wir von Martin lernen – sollen wir nicht gesichtslos untertauchen, sondern barmherzig herausragen.

Martin  - ein Mann, der Zeit für Stille hat:

Wer Martin als Christ beschreiben will, kann nicht daran vorbeigehen, dass Martin nach seiner Zeit als Soldat als Mönch lebt. Wie auch Martin Luther.

Als Mönch betet man Tag und Nacht, das Gebet wird zum Hauptinhalt des Lebens. Martin nimmt sich viel Zeit für Gebet und Stille, um mit Gott in Verbindung zu sein.

Das Erstaunliche: Obwohl Martin sich viel Zeit für Stille und Zurückgezogenheit nimmt, geht von ihm bis heute eine unglaubliche Ausstrahlung aus – oder vielleicht gerade deswegen?

Und vielleicht können wir auch da etwas von ihm für unser Leben, für unseren Glauben lernen? Statt einer Menge oder Unmenge an Aktivitäten auch den Mut haben, Stille anzubieten, Stille auszuhalten, die Begegnung mit Gott im Gebet und in der Stille zu suchen.

Heute, einen Tag nach dem beliebten Kinderfest St. Martin können auch die Erwachsenen mit St. Martin zum Leuchten und Erleuchten gebracht werden:

Martin war ein entschiedener Christ, bei dem vor den schönen Worten die barmherzige und christliche motivierte Tat gekommen ist. Martin war ein Mensch, der Mut hatte und eine ausgesprochene Schweigekultur lebte.

Damit hat er uns bleibend etwas zu sagen:

„Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“

In Gottes Namen – Amen